Die Klientel des Dr. Heino Lisker

Den erschreckendsten Artikel des noch jungen Oktober postete FOCUS-online. Darin phrasiert ein gewisser Dr. Heino Lisker über die Führungskompetenzen alter Männer. Anlass ist die Nachfolge im Vorstand der Volkswagen AG durch Matthias Müller, der bekanntlich schon 62 Jahre alt ist. Lisker stellt in seinem Artikel folgende gewagte These auf: „Die Leistungsfähigkeit eines gut trainierten 70jährigen kann einem untrainierten 30jährigen entsprechen.“ Oh, ja, und gut trainiert sind seine Senioren natürlich: so meiden sie Nikotin und Alkohol und Fleisch wie die Pest und sind echte Sportskanonen. Zum Sport sei auf die letzte Aufstellung des Berlin-Marathon verwiesen: 5mal Matthias Müller, aber kein Senior Jahrgang 1953. Müller war also nicht dabei; und das als Sportskanone. Aber gut. Kommen wir nun zum mentalen Teil: Lisker stellt die sich aufdrängende Frage: „Sind Führungskräfte über 60 Jahre geistig noch frisch genug, Innovationen zu begreifen und durchzusetzen und auch dem grundsätzlichen Druck in Chefetagen stand zu halten?“ Nein, nein, ja, ist man versucht zu sagen. Aber schauen wir auf die Argumente von Lisker für dreimal „Ja!“: seine Erfahrung zeige, auch die 65jährigen wollen noch. Stress begegnen sie mit Gelassenheit. Dies gelte besonders für Aufsichtsgremien, wo nichts zu tun sei. Eine Ausnahme gebe es jedoch schon: für Unternehmen wie Google und Facebook sei sein Geschäftsmodell dann doch nicht geeignet. Diese Einschränkung stört: doch nicht mehr geistig fit genug? Aber warum ein „ja“ auf die dritte Frage? Nun, den Druck in der Chefetage schaffen diese Manager ggfls. selbst, sollten sie körperlich und/oder geistig nicht mehr leistungsfähig sein. Die Praxis, an alten Männern in Führungsetagen festzuhalten, hat ganz andere Gründe: meist geht es hier um Kontakte, um Reputation und Macht und oft um die Fehleinschätzung, Schluss zu machen, bevor es peinlich wird. Aus Sicht der personellen Compliance können solche Führungskräfte zum Risiko werden. Und selbstredend hängt das nicht vom Alter, sondern vom Einzelfall ab. Insofern sind Liskers Generalisierungen schlicht untauglich und wissenschaftlich falsch. Hier nutzt auch der Verweis auf die eigene Studie nichts.

Der Focus beschreibt den Autor wie folgt: „Heino Lisker ist Leitender Arzt der Psychosomatischen Abteilung der Max Grundig Klinik. Er begleitet seit 25 Jahren Unternehmer und Manager auf dem Feld der Psychologie.“ Lisker bricht also eine Lanze für seine Klientel. Soweit, so normal. Aber worauf weist uns das Wort „Psychologie“ hin? Doch alles Burn-out Patienten?

<Update/061015> Einen netten Artikel zum Thema Missmanagement durch ungebremste überlebensgroße Figuren, wie es dort heißt, hat die Welt veröffentlicht. Hätte ich dieser Zeitung gar nicht zugetraut … .

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